Kategorie: Bergbau in Nordrhein-Westfalen
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Zeche Hermann Schacht ½ in Selm Beifang

1906 bis 1926

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Zeche Hermann Schacht ½

Das kleine Münsterländische Bauerndorf Selm hatte 1905 nur 1762 Einwohner. Es wurde dort hauptsächlich Pferde und Rinderviehzucht betrieben. Anfang des 20. Jahrhundert wurden durch die internationale Bohrgesellschaft zu Erkelenz in Selm und Umgebung Probebohrungen auf Carbon durchgeführt. Es wurden Carbon-Flöze in einer Tiefe von 518m bis zu 1440m gefunden und eine Abbaumenge von 397 Millionen Tonnen errechnet (bei einer Teufe von 1200m). Um die damals moderne Doppelschachtanlage ortszugängig zu erschließen wurde ab Herbst 1906 von der Landstraße Selm-Bork ein Transportgleisanschuss bis auf den Buddenberg zur Zeche hinauf angelegt. Am 13.12.1906 begann der erste Spatenstich zur Errichtung der Abteufgerüste Zeche Hermann Schacht 1 und 2.

Die Grundstücke (1340 Morgen) der zukünftigen Zechenanlage und späteren Zechensiedlungen gehörten damals zum Grundbesitz der Burg Botzlar (Von Landsberg zu Vehlen/Gemen) und wurden 1907 für 1.150.000 Mark von der Trierer Bergwerksgesellschaft Hermann mbH. erworben. Februar 1907 wurde mit der Abteufung von Schacht 1 begonnen und im Mai 1907 von Schacht 2. Von Juli 1907 bis zum 17.09.1908 wurde von Bork aus über den heute noch erhaltenen Zechendamm (heutiger Straßenname Alte Zechenbahn) ein direkter Gleisanschluss an die Staatsbahn erstellt. Die meisten benötigten Wagons wurden auch durch die Staatsbahn gestellt. Die dazu gehörige Lokomotive wurde am 19.08.1908 von der Hohenzoller-Fabrik/ Düsseldorf-Grafenberg in Bork angeliefert. Sie fuhr dann zweimal am Tag den Borker Bahnhof von der Zeche aus an. Nach Bork hin vorwärts und zur Zeche zurück rückwärts. Der Bahnübergang über die heutige Kreisstraße war unbeschrankt denn die Bahn hatte immer Vorfahrt. Dort ereignete sich ein tödlicher Unfall als der Besitzer der Brennerei und sein Chauffeur mit der Bahn kollidierten. Beide wurden bei dem Unfall getötet.

Da der Buddenberg auf dem die Zeche Hermann errichtet wurde umfangreiche Lehmvorkommen hatte, errichtete die Zeche ab Oktober 1907 eine eigene Ziegelei mit einem Ringofen. Wenn man heute vor dem Zechentor steht befand sie sich rechts vor dem Gelände. Hier wurden ab 04.1908 täglich 20.000 Ziegel gebrannt die für den kostengünstigeren Aufbau der Zeche und ihrer Wohnkolonien benötigt wurden. In Selm Beifang wurden aus Hermann-Ziegel 518 Häuser erbaut. Im Dezember 1908 hatte Schacht 2 eine Teufe von ca. 786m erreicht und somit auch das Steinkohlengebirge. Bis April 1909 war Schacht 2 bis 954m abgeteuft und die erste Bausohle in Höhenlage eingebracht. Schacht 1 wurde bis 1925 bis zur endgültigen Teufe von 1078m weitergeteuft. Die Zeche Hermann war zur damaligen Zeit die tiefste Zeche im Ruhrgebiet. Dadurch hatte der Betrieb aber auch starke Probleme mit Wassereinbrüchen und den hohen Temperaturen die diese Tiefe mit sich bringt. Die Kumpel nannten die Zeche Hermann auch „Zeche Elend“. Viele Bergleute verließen die Zeche Hermann freiwillig und wechselten zu anderen Zechen.

Erreichen konnte man damals einen so tiefen Bergwerksbetrieb durch die Nutzung damaliger moderner Technik. Dampfmaschinen wurden als Fördermaschinen und zur Wasserhaltung eingesetzt. Die damalige Wetterführung wurde stets verbessert und die Stahlseile als Förderseile hatten schon lange die Hanf- und Kettenseile ersetzt welche diese Tiefen nicht erreichen hätten können. Ab 1909 wurde die erste Kohle für den Eigenbedarf gefördert. Anfang 1911 wurde eine Anlage zur Gewinnung von schwefelsaurem Ammoniak erstellt. Ende 1911 kamen noch 80 Koksöfen zur Verkokung der hochwertigen Fettkohle und eine Anlage zur Gewinnung der Nebenprodukte hinzu. 1914 hatte die Hauseigene Kokerei 160 Koksöfen in Betrieb. Schacht 3 und 4 sollten in Netteberge geteuft werden aber der Ausbruch des 1. Weltkrieges verhinderte dieses.

Da 1914 der 1. Weltkrieg zugange war und auch Bergarbeiter an die Front geschickt wurden, hat man auf Zeche Hermann auch Kriegsgefangene bei der Arbeit eingesetzt. Für die ca. 240 hauptsächlich aus Russen und Franzosen bestehenden Arbeitern wurde eine eigene Währung eingeführt. Diese Währung war nur auf Zeche Hermann bzw. im Gefangenenlager gültig und sollte so Fluchtversuche vermindern. Aber auch Jugendliche unter 16 und Frauen aus der Umgebung arbeiteten auf Hermann.

Die Zeche Hermann hatte in ihrer Betriebszeit ca. 152 Tote Kumpel durch Unfälle zu beklagen. In vielen Jahren war es sogar ein Mensch pro Monat der tödlich verunglückte. Die Schachtanlage wurde oft bestreikt durch die Kumpel. Meistens mit geringen bzw. keinem Erfolg. 1919 ging die Zeche zu 92% Anteilen in den Besitz einer französischen Gruppe. Die Zeche Hermann förderte in ihrem besten Jahr (1925) 528.991 Tonnen. Im Jahr darauf nur noch 280.700 Tonnen auch bedingt durch weniger Bergleute. Hinzu kamen noch große Absatzschwierigkeiten auf dem Kohlenmarkt.

Am 15.05.1926 beantragt die Zechenverwaltung die Stilllegung der Zechenanlage. Zu diesem Zeitpunkt und derzeitigen Teufe hätte die Zeche noch 300Mill. Tonnen Kohle abbauen können. Danach wurde schon mit dem Teilabriss der obertägigen Anlagen begonnen. Die meisten Selmer waren Arbeits- und Brotlos. Wenn man bedenkt, dass Selm bedingt durch den Hauptarbeitgeber der Zeche von 1762 auf ca. 12000 Einwohner heranwuchs waren die Umstände sehr elendig. Die Kumpel die es schafften bekamen noch Arbeit auf benachbarten Bergwerken. Seitens der Stadt wurde auch Hilfe vom Land beantragt doch dafür war Selm schon ein zu großes Ballungszentrum geworden. Offiziell wurde Selm von 1933 bis 1956 zur Notstandsgemeinde erklärt.

Am 3.März 1928 wurden die Fördertürme umgelegt.

 

Rechts des Buddenberges entstand eine Notwohnkolonie die sogenannten Nissenhütten. Die Lohnhalle, Markenstube und die Kaue wurden stehen gelassen und stehen heute noch. Dort wurde nach Zechenschließung eine 7klassige evangelische Schule eingerichtet. 1945 wurden die Schachtdeckel durch die Alliierten wieder geöffnet. Ich berufe mich da auf die Aussage des Großvaters meines Schulkollegen: „ Ich habe damals die Deckel wieder drauf gemacht aber vorher haben wir Granaten, Waffen und Munition in die Schächte geworfen“

Und eine andere Augenzeugin die heute noch lebt sagte: „ Auf dem Zechengelände haben die Alliierten mit LKWs Munitionskisten und so von einer deutschen Munitionsanstallt aufgehäuft und verbrannt. Dieser Bereich war abgesperrt aber alle wollten ja was erhaschen z.B. leere Kisten und sowas. Wir hatten ja nach dem Krieg nichts. Einmal gab es dabei eine Explosion und 3 Menschen waren sofort tot! Ich habe mir dabei den Oberarm schwer verbrannt. Die Reste der Feuer wurden in die Schächte der Zeche gekippt“ In der heutigen Zeit ist eine ortsansässige Firma auf dem Gelände und produziert dort. 2007 wurde eine Studie bezüglich Geothermie erstellt. Aus den Schächten sollte Erdwärme zur Beheizung naheliegender Industriebetriebe bezogen werden aber die Ergebnisse sind mir nicht bekannt.

 

Quellenverzeichniss:

Uns wurde nichts geschenkt

Selm-Beifang 1906-1933
Von Rita Weißenberg
ISBN 978-3-00-039018-0
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Zeitzeugenberichte
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Original schwarz/weiß Fotos mit freundlicher Unterstützung des Selmer Heimatvereines