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Untertage-Verlagerung Porphyr

Blankenburg – Rüstungsproduktion im Eichenberg

In der Endphase des Zweiten Weltkriegs intensivierten die nationalsozialistischen Machthaber ihre Bemühungen, die Rüstungsindustrie vor alliierten Luftangriffen zu schützen. Im gesamten Reichsgebiet wurden deshalb Produktionsstätten in unterirdische Anlagen verlagert – sogenannte „Untertage-Verlagerungen“. Hierfür wurden neue Tunnelanlagen in Felsformationen getrieben oder bestehende Stollensysteme ausgebaut. Die Harzregion rückte aufgrund ihrer geologischen Eignung und zentralen Lage besonders in den Fokus dieser Planungen. Ein Beispiel für ein solches Projekt findet sich im Eichenberg bei Blankenburg. Dort wurde ab April 1944 ein ehemaliger Bergbaustollen der Eisenerzgrube „Braunesumpf“ zu einer unterirdischen Rüstungsfabrik umgebaut. Die Zugänge zum Stollensystem lagen am westlichen Stadtrand, unmittelbar nördlich der Trasse der Rübelandbahn.

Die Anlage erhielt zur Tarnung den Decknamen „Porphyr“, entsprechend dem damaligen Schema, geologische Begriffe als Codenamen zu verwenden. Der verantwortliche Rüstungsbetrieb, die Kurbelwellen GmbH aus Glinde bei Hamburg – ein Unternehmen des Krupp-Konzerns – trat unter dem Tarnnamen „Klosterwerke GmbH“ auf. Geplant war die Schaffung einer unterirdischen Produktionsfläche von etwa 17.000 Quadratmetern zur Fertigung von Komponenten für Panzer- und Flugzeugmotoren.

Die Stollenarbeiten wurden größtenteils von mehreren Hundert Häftlingen aus umliegenden Lagern durchgeführt. Die Bedingungen waren von Material- und Arbeitskräftemangel sowie zunehmendem Zeitdruck geprägt. Dennoch gelang es bis zum Einstellen der Arbeiten im April 1945, rund zwei Drittel des geplanten Stollensystems zu errichten. Ein Teil der unterirdischen Räume war bereits mit Maschinen ausgestattet, doch die Produktion konnte kriegsbedingt nicht mehr aufgenommen werden.

Die sowjetischen Besatzungstruppen ließen die Stollenanlage ab etwa 1949 verschließen. Um das Jahr 2000 wurden große Bereiche des Tunnelsystems verfüllt. Die verbliebenen Hohlräume dienen heute Fledermäusen als Winterquartier. Im Blankenburger Stadtteil Oesig erinnert heute ein Gedenkstein – etwas versteckt am Rand eines Gewerbegebiets – an die Opfer des Konzentrationslagers „Klosterwerk“, dessen Häftlinge unter Zwang an dem Bau beteiligt waren.

Hintergründe zur Entstehung der „Klosterwerke GmbH“

Neben Großunternehmen wie Junkers suchte auch die Kurbelwellen GmbH aus Glinde im Jahr 1944 nach Alternativstandorten für ihre kriegswichtige Produktion. Das Unternehmen, seit 1935 mit umfangreichen Rüstungsaufträgen betraut und Teil des Krupp-Konzerns, beschäftigte im März 1944 über 5.000 Mitarbeiter und fertigte Kurbelwellen für die Luftwaffe und Panzertruppe. Die Entscheidung zur Verlagerung in den Harz fiel offenbar noch vor den massiven Luftangriffen auf Hamburg.

Laut Firmenunterlagen sollte auf „höhere Weisung“ bereits 1943 eine neue Produktionsstätte entstehen. Wahrscheinlich erhielt das Vorhaben jedoch erst nach Einrichtung des „Jägerstabes“ – einer Koordinierungsstelle für Untertageverlagerungen der Luftwaffe – die notwendige Priorisierung. Im Mai 1944 erteilte das Rüstungslieferungsamt die formelle Genehmigung zur Teilverlagerung der Produktion nach Blankenburg.

Der Ausbau erfolgte rund um den sogenannten Walter-Burchardt-Stollen, der ursprünglich die Verbindung zwischen der Grube „Braunesumpf“ und einer benachbarten Gießerei herstellte. Von diesem Hauptstollen aus wurden neue Querstollen in den Eichenberg getrieben, mit dem Ziel, eine unterirdische Fertigungsfläche von bis zu 20.000 Quadratmetern zu schaffen. Der interne Deckname „Kuha“ (für „Kurbelwellen Hamburg“) wurde aus Sicherheitsgründen schnell durch die neutral klingende Bezeichnung „Klosterwerke GmbH“ ersetzt. Die Durchführung der bergbaulichen Maßnahmen lag bei der Kruppschen Bergverwaltung Goslar, während die Organisation Todt – konkret die Einsatzgruppe IV Kyffhäuser – für Baukoordination und Zwangsarbeitereinsatz zuständig war. Das Reich verpflichtete sich zur Übernahme sämtlicher Kosten, die für die spätere Abrechnung separat verbucht werden sollten. Probleme entstanden durch die räumliche Nähe zur Bergbau AG Lothringen, die ebenfalls kriegswichtige Produktion betrieb. Es kam zu zahlreichen Konflikten, etwa wegen der unrechtmäßigen Nutzung von Unterkünften und Ablagerung von Bauschutt. Proteste der Bergbaugesellschaft blieben letztlich erfolglos.