FledermausFledermaus Übertage & Untertage Berichte mit vielen Fotografien

Der Stockheimer Bergbau

"Bergbaugeschichte im Haßlachtal"

Der Bergbau in Stockheim bei Kronach blickt auf eine mehr als vierhundertjährige Geschichte zurück und prägte das Haßlachtal im nördlichen Oberfranken nachhaltig. Als Ende März 1968 die Bergleute der Zeche St. Katharina zum letzten Mal Kohle aus 320 Metern Tiefe förderten, endete eine Ära, die seit dem 16. Jahrhundert das wirtschaftliche und soziale Leben der Region bestimmt hatte. Die letzten gefüllten Hunte symbolisierten ein Kapitel harter Arbeit, technischer Entwicklung und wiederkehrender wirtschaftlicher Herausforderungen, das über Generationen hinweg nahezu jede Familie im Frankenwald berührt hatte.

Die geologischen Voraussetzungen des Stockheimer Reviers waren außergewöhnlich günstig. Die Gemeinde liegt im Oberfränkischen Schiefergebirge am Rand des Thüringer Beckens, eingebettet in ein komplexes System aus tektonischen Störungen, Karbonflözen und permischen Sedimenten. Das Kohlefeld gehört zur Fränkischen Linie, einem bedeutenden Bruchsystem Nordbayerns, und lieferte überwiegend bituminöse, gasarme Steinkohle aus dem Oberkarbon. Diese Qualität machte das Revier im süddeutschen Raum besonders attraktiv und bildete die Grundlage für eine frühe wie auch langfristige Nutzung der Lagerstätten.

Der Beginn des Bergbaus lässt sich bis ins Jahr 1582 zurückverfolgen, als erste Hinweise auf verwertbare Kohle im Stockheimer Kohlenberg dokumentiert wurden. Während zunächst oberflächennahe Ausbisse von Bauern und Handwerkern genutzt wurden, setzte im 18. Jahrhundert eine planvollere Erkundung und spätere Erschließung ein. Bedeutende frühe Impulse kamen von Persönlichkeiten wie dem Oberförster Christoph Friedrich Gundermann, der 1758 erste Schürfrechte erhielt, und von Besuchern wie Herzog Carl August sowie dem auf Anregung Goethes angereisten Herzog Karl von Sachsen-Meiningen, die 1782 zwei der damaligen Gruben besichtigten. Ab 1800 kam es auch auf thüringischer Seite zu bergbaulichen Aktivitäten, sodass sich das Revier grenzüberschreitend entwickelte.

Im 19. Jahrhundert intensivierte sich der Betrieb erheblich. 1836 übernahm Christian von Weiß einen frühen Bohrschacht und ergänzte ihn wenige Jahre später durch die Grube Sophie, in der zeitweise bis zu 400 Bergleute beschäftigt waren. Auch bekannte Unternehmer wie der Lexikonverfasser Carl Joseph Meyer engagierten sich vorübergehend in der Region. Ein entscheidender Einschnitt erfolgte 1863, als der aus England stammende Industrielle Joseph Freiherr von Swaine sämtliche Zechen erwarb und eine erste wirtschaftliche Blütezeit einleitete. Rund 700 Bergleute arbeiteten damals in sechs Gruben, und die Förderung erreichte erstmals industrielle Maßstäbe.

Mit dem Übergang der Anlagen in Staatsbesitz im Jahr 1908 verband die bayerische Regierung große Erwartungen an einen leistungsfähigen Großbergbau. Doch die ambitionierten Modernisierungsversuche scheiterten an der mangelnden Anpassung externer Fachleute an die tatsächlichen geologischen und technischen Bedingungen. Bereits 1911 kam es zur abrupten Schließung aller Gruben, was 550 Bergleute zur Abwanderung in andere Kohlereviere zwang. Die Sprengung der Kohlenwäsche 1912 besiegelte das Ende vieler Anlagen; lediglich die seit 1775 erwähnte Grube St. Katharina wurde weitergeführt, getragen von unternehmerischem Mut und lokalem Zusammenhalt.

Die wirtschaftlichen Krisen der Zwischenkriegszeit belasteten den Betrieb erneut. 1927 führte die Weltwirtschaftskrise zur Stilllegung, woraufhin die Bergleute zur Rettung „ihrer“ Zeche den Bergbauverein St. Joseph gründeten. 1930 entstand daraus die Bergbaugenossenschaft Stockheim und Umgebung – ein einmaliger Schritt im deutschen Bergbau, da die finanziell angeschlagenen Arbeiter selbst durch hohe Einzahlungen den Weiterbetrieb ermöglichten. Zahlreiche Gemeinden beteiligten sich später an der 1935 gegründeten Bergbau-Gesellschaft Stockheim/Ofr. mbH, wodurch ein erneuter Modernisierungsschub möglich wurde. Bis 1936 entstand ein neuer Haupt- und Förderschacht, und ab 1952 wurde die 320-Meter-Sohle erschlossen, begleitet von umfangreichen Ausbauarbeiten unter Tage.

Die Förderleistungen verbesserten sich in der Nachkriegszeit erheblich. Während 1910 pro Beschäftigtem im Schnitt 79 Tonnen gefördert wurden, lagen die Werte zwischen 1951 und 1960 bereits bei über 200 Tonnen, 1967 sogar bei 409 Tonnen pro Mann und Jahr. Die höchste Jahresförderung erreichte das Revier 1951 mit 90.000 Tonnen. Trotz dieser beachtlichen Effizienzsteigerungen blieb der Absatz zunehmend hinter den Erwartungen zurück, und strukturelle Rationalisierungen führten zu einer kontinuierlichen Verringerung der Belegschaft.

Neben St. Katharina waren im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche Gruben im Betrieb. Bedeutende Zechen wie Georgi mit modernen Tagesanlagen, die ergiebige Zeche Johannes, die technisch problembehaftete Grube Marie oder die nördlich gelegene Zeche Gustav-Adolf prägten das Revier ebenso wie kleinere, früh verfüllte Anlagen. Alle waren durch ein Netz aus Grubenbahnen verbunden und bildeten ein eng verzahntes Industriegebiet innerhalb eines Radius von drei Kilometern.

Der endgültige Niedergang des Bergbaus in Stockheim war weniger geologisch als wirtschaftlich bedingt. Bis zum Tag der Schließung im März 1968 war der Kohlenabsatz abgesichert, doch fehlende Investitionen, die internationale Konkurrenz und der rapide sinkende Ölpreis nahmen der Grube jede Zukunftsperspektive. Während anderswo Halden mit überschüssiger Kohle gefüllt wurden, lag in Stockheim keine einzige Tonne unverkauft. Entscheidend war letztlich die fehlende finanzielle Grundlage für eine notwendige umfassende Modernisierung. Mit der „Letzten Schicht“ in St. Katharina erlosch das industrielle Herz des Ortes, doch in Knappenverein und Bergmannskapelle lebt die Tradition bis heute fort.

Die Geschichte des Stockheimer Bergbaus ist durch zahlreiche Standardwerke und Lokalchroniken gut dokumentiert. Besonders hervorzuheben sind die Arbeiten von Gerd Fleischmann, der die Entwicklung des Reviers detailliert aufgearbeitet hat, sowie die Veröffentlichungen des Fördervereins Bergbaugeschichte Stockheim, die sich der Bewahrung der örtlichen Montankultur widmen. Regionale Geschichtswerke, Zeitzeugenberichte und geologische Publikationen ergänzen das Bild eines Bergbaugebietes, das in Bayern einzigartig war – und dessen Spuren sich bis heute im Landschaftsbild, in den Erinnerungen der Menschen und in einem lebendigen historischen Bewusstsein erhalten haben.

 

Grubenliste – Zechen in Stockheim und Umgebung (Steinkohlenrevier Stockheim)

  • St. Katharina (Katharina-Grube)
    – Hauptförderschacht des Reviers (1775–1968), bis 320 m Tiefe, letzte aktive Zeche.
  • Maxschacht (Grube Max)
    – 1855 angelegt, bis über 300 m abgeteuft; 1912 endgültig aufgegeben.
  • Georgi-Zeche
    – Bedeutendste Anlage des Feldes; moderne Waschanlage und Verladebunker.
  • Johannes-Grube
    – Kleine, ergiebige Grube westlich von Stockheim; später mit Georgi vereinigt.
  • Sophie-Grube
    – 1839 abgeteuft; bis zu 400 Beschäftigte in Spitzenzeiten.
  • Bernhard-Grube
    – Frühzeitlicher Bohrschacht, übernommen und benannt 1836.
  • Marie-Grube
    – Südliches Revier; Betrieb etwa 1875–1902, Schwierigkeiten mit Wasserhaltung.
  • Schindler-Grube
    – Kleinzeche mit handwerklichem Abbau, frühe Betriebsphase; heute vollständig verfüllt.
  • Gustav-Adolf-Grube
    – Nördlich zur Thüringer Grenze; Betrieb bis in die 1930er-Jahre.
  • Adam-Friedrich-Tagstrecke
    – Seit 1811 genutzt; diente im frühen Betrieb der Förderung von St. Katharina.
  • Kreuzgrube / Vereinigter Nachbar
    – Früh eingetragene Felder und Schürfrechte des 18. Jahrhunderts.

 

Literaturliste – Bergbau Stockheim

Fach- und Standardwerke
  • Gerd Fleischmann: Steinkohlebergbau im Hasslachtal – Stockheim & Umgebung.
  • Gerd Fleischmann: Zeittafel der Stockheimer Bergbaugeschichte.
  • H. Demattio: Kronach – Der Altlandkreis. Kapitel zu Zechen, Verwaltung und Eigentumsverhältnissen.
Regionale Dokumentationen & Vereinsmaterial
  • Förderverein Bergbaugeschichte Stockheim: Flyer, Broschüren und Publikationen zum Bergbaupfad.
  • Bürgermuseum Stockheim: Informationssammlungen zu Gruben, Technik und Lokalgeschichte.
Zeitungs- und Onlinequellen
  • Fränkischer Tag: „Steinkohleabbau im Frankenwald.“
  • infranken.de: „Stockheimer Kohle ist einzigartig.“
  • Artikel: „Letzte Schicht St. Katharina – Ende 1968.“
Lexika & Übersichten
  • Wikipedia: Liste von Bergwerken in Bayern – Kurzüberblicke zu Laufzeiten der Stockheimer Gruben.