U-Verlagerung Anhydrit
Das Projekt B3
Das Projekt B3 bestand aus den beiden neu angelegten unterirdischen Anlagen „B3a“ und „B3b“, einem Barackenlager sowie einem zugehörigen Bahnhof mit Materiallager. Da es sich um neu zu erstellende Stollensysteme handelte, erhielten sie – gemäß dem Decknamenschema – Tarnnamen aus der Gesteinskunde. Die unterirdischen Räume wurden als „Anhydrit“ bezeichnet, der firmeninterne Deckname lautete „Hydra“. Die geplante Produktionsfläche sollte rund 300.000 m² betragen. Bis Kriegsende im April 1945 waren jedoch nur etwa 100.000 m² fertiggestellt, wovon circa 45.000 m² bereits produktiv genutzt wurden – während parallel noch Stollen vorgetrieben wurden.
Im Bereich B3a waren bereits eine Entwicklungsstation sowie eine Serienfertigung für die Raketenmodelle „Schmetterling“ und „Taifun“ in Betrieb. Die Ursprünge der unterirdischen Verlagerungen in der Region Nordhausen reichen bis 1936 zurück, als die Wirtschaftliche Forschungsgesellschaft (Wifo) mit dem Bau der ersten U-Verlagerung „Ni“ am Kohnstein begann. Zwei parallele Stollen (A und B) dienten der Treibstofflagerung und der kommerziellen Nutzung des dabei gewonnenen Anhydritgesteins. Diese ersten Arbeiten bildeten die Grundlage für das spätere „Mittelwerk“.
Mit zunehmenden Luftangriffen auf das Reich wurde die kriegswichtige Produktion systematisch in unterirdische Anlagen verlegt. Die Stollenanlage „Ni“ wurde erheblich erweitert. Die Hauptstollen wurden auf eine Breite von 12 Metern und eine Höhe von bis zu 10 Metern vergrößert, die Querstollen (Kammern) durch massive Pfeiler getrennt. Das Anhydritgestein erwies sich dabei als ideal für den Stollenbau – auf zusätzliche Ausmauerungen konnte weitgehend verzichtet werden.
Ab Ende 1943 entstanden weitere U-Verlagerungen im Raum Nordhausen, darunter:
- B3 – Anhydrit
- B4 – Lava
- B11 – Zinnstein
- B12 – Kaolin
- B15 – Argentit
- B17 – Gneis
Zusätzliche Anlagen wurden auch in bereits vorhandenen Höhlenräumen, z. B. in der Heimkehle, errichtet. Alle Verlagerungen wurden unter dem Begriff „Mittelbau“ zusammengefasst. Die Leitung oblag SS-Obergruppenführer Dr. Ing. Hans Kammler („Kammlerstab“), unterstützt von der Sonderinspektion II sowie zivilen Planungsbüros und geologischen Fachkräften. Die Bergbauakademie Clausthal überwachte alle Baustellen, für die Bewetterung wurden Spezialisten aus dem Ruhrgebiet hinzugezogen. Voraussetzung für den Bau waren genaue geologische Untersuchungen, unter anderem zur Standfestigkeit des Gesteins, zur Mindestüberdeckung, zum Bahnanschluss und zur Tarnung. Das gesamte Gebiet um Nordhausen wurde zum militärischen Sperrgebiet mit einem Radius von etwa 50 Kilometern erklärt.
U-Verlagerung "B3a" – Bau der Raketenfabrik
Mit dem Bau der Anlage B3a wurde im März 1944 begonnen. Eine Tarnung der Baustelle war aufgrund der natürlichen Gegebenheiten nicht notwendig. Der Abraum – über zwei Millionen Kubikmeter Anhydrit – wurde zu einer drei Kilometer entfernten Halde transportiert, in der Nähe einer Gipsfabrik. Geplant waren etwa 100 Montagekammern, durchzogen von fünf Hauptstollen (A–E), mit einer Höhe von 8,5 Metern und einer Breite von 12 Metern – ausreichend für einen zweigeschossigen Ausbau mit Gleisanlagen. Der Aushub wurde über ein umfassendes Gleisnetz abgefahren. Insgesamt entstanden rund um B3a etwa 44 Kilometer Gleisanlagen:
- 28 km mit 90 cm Spurweite
- 14 km mit 60 cm Spurweite
- 6 km Reichsbahngleis
Ein Anschluss an die Reichsbahnstrecke Nordhausen–Northeim wurde eingerichtet, inklusive Rangierbahnhof und Verladeanlagen. Untertage kamen Dieselloks, später Elektroloks zum Einsatz – eine davon ist heute in der Gedenkstätte KZ-Dora ausgestellt. Zur Bombensicherung wurden wichtige Einrichtungen (Kompressoren, Trafostationen, Notküchen, Magazine) zunächst provisorisch in die ersten Stollenabschnitte untergebracht. Der Zugang zur Anlage sollte durch mehrstufige Schleusen aus Stahlbeton mit mindestens 2,5 Meter dicken Außentoren gesichert werden. Heute existieren nur noch zwei originale Stolleneingänge: Fahrstollen E und Stollen 10 (später als Zufahrt genutzt). Am Fuße der Steilhänge entstand ein großes Lager mit Werkstätten, Baracken, Verwaltungsgebäuden, Lokhallen, Lagerhäusern und einer provisorischen Kläranlage.
Das Barackenlager umfasste etwa 70 Gebäude:
- 30 für zivile Arbeiter
- 20 für Bau- und Bergleute
- 12 für Werkstätten und Lager
- 2 für den Planungsstab
- dazu Wachbaracken und ein Pförtnerhaus
Dieses Lager war das zweite Außenlager des KZ Buchenwald im Mittelbaugebiet. Auf der Baustelle B3a arbeiteten zwischen 5.000 und 6.000 Menschen, insgesamt waren in der U-Verlagerung Anhydrit etwa 12.000 Zwangsarbeiter eingesetzt. Die meisten stammten aus Lagern wie „Hans“ (Harzungen) und „Erich“ (Ellrich) und wurden per Bus oder Bahn zur Baustelle transportiert – oft bei schlechtesten Bedingungen, vor allem im Winter 1944/45. Jede Großbaustelle verfügte über ein eigenes Krankenrevier mit einem Arzt und einem Zahnarzt. In schweren Fällen wurden Patienten nach Nordhausen verlegt. Nach der geplanten Fertigstellung der Anlage sollte ein Werksarzt dauerhaft untertage tätig sein.
Anhydrit in der Kurzfassung
Im Mai 1940 wurde bei Woffleben ein großdimensioniertes unterirdisches Tanklager der Wirtschaftlichen Forschungsgesellschaft m.b.H. geplant, zunächst mit zwei Fahrstollen und rund siebzig Querstollen. Nach Erkundungsbohrungen der Firma Gebhardt & König aus Nordhausen im Dezember 1943 erging am 10. März 1944 der Bauauftrag an die „Arge Woffleben“. Ende März 1944 begann der Stollenvortrieb – unter anderem durch die Firma Grün & Bilfinger A.G., Mannheim, Niederlassung Halle/Saale – unter dem Decknamen „Anhydrit“, ab Juli 1944 „B 3a“. Vorgesehen waren etwa 100 000 m² Nutzfläche mit fünf Fahrstollen (A–E), 29 Querstollen in zweitägigem Ausbau sowie einer Klimaanlage. Bis zum Baustopp am 4. April 1945 entstanden rund 45 000 m² Stollen sowie zwei Luftschächte. Zum Projekt gehörten ein Arbeitslager bei Woffleben mit Luftschutzbunker, ein Sprengstofflager am Gipsbruch bei Appenrode und ein Anschlussgleis an die Bahnstrecke Nordhausen–Northeim.
In der Anlage war zunächst die Fertigung von Flugzeugmotoren der Junkers Flugzeug- und Motorenwerke A.G. Dessau („Nordwerke A.G.“, Deckname Hydra I) vorgesehen. Ab Februar 1945 sollte zudem die Produktion der Flakraketen Hs 117 Schmetterling und Hs 298 Taifun durch die Henschel Flugzeug-Werke A.G., Schönefeld, auf 3 323 m² im Südteil erfolgen, wobei Quellen uneinheitlich sind, ob die Fertigung tatsächlich anlief. Am 10. April 1945 übernahmen amerikanische Truppen das Gelände. Nach Kriegsende erfolgten Demontage Arbeiten, und im Januar 1947 wurden die Zugangsstollen gesprengt. In den 1980er-Jahren öffnete man die Stollen A und 10 erneut; bis 2004 diente ein Teil der Anlage als Champignonzucht.
Quellen
- Bundesarchiv, Signatur R 3/3295.
- CIA, Information Report, 26.05.1947.
- CIOS File No. XXXII-17: Underground Factories in Central Germany.
- Dörfler, Gleichmann: Geheimnisvolles Thüringen – Militärobjekte des Dritten Reiches. Heinrich-Jung-Verlagsgesellschaft mbH, Zella-Mehlis/Meiningen, 2011.
- Bornemann: Geheimprojekt Mittelbau. Nebel Verlag GmbH, Eggolsheim, 1994.
- Baranowski: Die verdrängte Vergangenheit – Rüstungsproduktion und Zwangsarbeit in Nordthüringen. Mecke Druck und Verlag, Duderstadt, 2000.
- Baranowski: Rüstungsproduktion in der Mitte Deutschlands 1929–1945. Verlag Rockstuhl, Bad Langensalza, 2013.
- Margry: Nordhausen. Battle of Britain International Ltd., Old Harlow, 1998.
- Wichert: Decknamenverzeichnis deutscher unterirdischer Bauten des Zweiten Weltkrieges. Verlag Schulte, Marsberg, 1993.
- www.gtgj.de
- www.woffleben.de
- Privat Archiv www.minehunters.de


