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U-Verlagerung Schildkröte

Im der ehemaligen Schiefergrube „Heimannsbruch“, Gewerkschaft Glückauf


Der Verlagerungsstandort „Schildkröte“ befindet sich in einer stillgelegten Schiefergrube nahe Probtzella eingebettet in das typische Mittelgebirgsrelief der Region. Die Grube liegt in einem devonischen Schieferzug, dessen stabile Gebirgsschichten für untertägige Einlagerungen prädestiniert waren. Der untertägige Abbau begann um 1885. Zwischen 1920 und 1926 wurde ein rund 326 m langer Hauptstollen (tatsächlich etwa 500 m Gesamtlänge) auf der 368-m-Sohle vorgetrieben. Es entstanden duzende Hohlbaue. Der Schiefer in der Grube war schnell nicht mehr Abbauwürdig so ruhte bereits ab 1935 der Betrieb.


Nachdem der wirtschaftliche Schieferabbau eingestellt wurde rückte das Bergwerk im zweiten Weltkrieg im Zuge der U-Verlagerungsprogramme der Wehrmacht wieder ins Augenlicht verschiedener Leute. So wurde die Grube 1944 für militärische Zwecke befahren und schließlich herangezogen. Ab Mai 1944 nutzte das Kriegsmarinearsenal Kiel Teile der Grube als Einlagerungsort für Material und Ersatzteile – der Deckname lautete „Schildkröte“. Im weiteren Verlauf des Jahres plante man, die Anlage zusätzlich für die chemische Produktion der I.G. Farbenindustrie AG, Werk Ludwigshafen, zu nutzen. Geplant war die Fertigung von Kybol (Kühlflüssigkeit für Flugmotoren) und Paraflow (Gefrierschutzmittel). Die geplante Nutzfläche der untertägigen Betriebsräume sollte etwa 5.000 m² betragen. Aufgrund des Kriegsverlaufs kam es jedoch nicht mehr zur Inbetriebnahme der Fertigung – die Nutzung blieb auf Lagerzwecke beschränkt. Für den Decknamen Schildkröte wurde die Objektnummer 54 vergeben.

 

Das Bergwerk in der Nachkriegszeit


Nach 1945 lag die Grube zunächst still. Zwischen 1958 und 1965 erfolgte nochmals begrenzter Schieferabbau auf der 300-m-Sohle, ehe der Betrieb endgültig eingestellt wurde und das Bergwerk geschlossen wurde. In der DDR-Zeit nutzte der VEB Hydrierwerk Zeitz das ehemalige Grubengelände bis 1990 als Ferienlager – ein kurioses Nachspiel für einen Ort mit kriegstechnischer Vergangenheit. Das Mundloch ist seit der Schließung des ehemaligen Bergwerkes verschlossen.

 

Heutiger Zustand


Das Bergwerk beziehungsweiße die U-Verlagerungsorte sind heute größtenteils verschlossen bzw. verfüllt, Reste der Stollenmundlöcher und der Halden sind jedoch noch erkennbar. Spuren der U-Verlagerung sind nur punktuell erhalten – vereinzelt finden sich noch Fundamentreste und typische Luftschächte aus der Kriegszeit. Eine Begehung der damalig angelegten Betriebsräume ist aus Sicherheitsgründen nicht möglich. Der Bereich ist äußerst marode und stark einsturzgefährdet. Vor etlichen Jahren konnte man die unterste Sohle befahren, in dieser befanden sich aber keine Relikte der Untertageverlagerung.

 

Literatur

 

Ignorierte Geheimobjekte Hitlers


Im Buch Ignorierte Geheimobjekte Hitlers – Kunstraubspuren in Bergwerken von Henry Hatt wird auf den Seiten 83 bis 86 die Grube und Untertageverlagerung „Schildkröte“ behandelt. Das Werk befasst sich mit bislang wenig beachteten unterirdischen Anlagen des Dritten Reiches, die in den letzten Kriegsjahren für die Auslagerung von Rüstungsproduktion und möglicherweise auch für die Lagerung von Raubkunst genutzt wurden. Hatt dokumentiert in diesem Zusammenhang verschiedene Standorte, beschreibt ihre baulichen Strukturen und legt besonderes Augenmerk auf historische Quellen sowie Zeitzeugenberichte. Im Abschnitt über die Untertageverlagerung „Schildkröte“ findet sich zudem eine Skizze eines Teils der Grube, die einen Einblick in die räumliche Anordnung und den Ausbauzustand der Anlage vermittelt.

 

Geheimnisvolles Thüringen – Militär- und Rüstungsobjekte des Dritten Reiches


Auch in dem Buch Geheimnisvolles Thüringen – Militär- und Rüstungsobjekte des Dritten Reiches von Markus Gleichmann und Ronny Dörfer wird der Untertageverlagerung „Schildkröte“ ein eigener Abschnitt gewidmet. Auf den Seiten 209 und 210 erscheint eine Doppelseite, die sich mit der Geschichte, der mutmaßlichen Nutzung und den noch heute sichtbaren Relikten der Anlage befasst. Das Buch bietet einen umfassenden Überblick über zahlreiche militärische und rüstungsrelevante Objekte in Thüringen, stellt deren historische Bedeutung im Kontext der Kriegsindustrie dar und illustriert die Texte mit historischen Fotografien, Kartenmaterial und aktuellen Aufnahmen. Die Darstellung der „Schildkröte“ ordnet die Anlage in das weitverzweigte Netz thüringischer Untertageverlagerungen ein, das im letzten Kriegsjahr eine zentrale Rolle in der deutschen Rüstungsproduktion spielte.